Dem Flüchtling ein Gesicht geben
Flüchtling aus Syrien besucht die Klasse 6c der IGS
(Mitteilung der Klasse 6c vom 10.10.2015 von Ingo Ostwald)
Das Thema „Flüchtlinge“ beherrscht derzeit
die Medien. Immer wieder ist von der großen Zahl an
Flüchtlingen die Rede, die derzeit nach Europa und Deutschland
einreisen oder dies versuchen, immer wieder hört man auch von
Menschen, die bei diesem Versuch im Mittelmeer ertrinken.
Auch in Wallrabenstein gibt es eine Flüchtlingsunterkunft, in
der derzeit 19 Flüchtlinge leben. Einer von ihnen ist der
23jährige Muhammad aus Syrien. Nachdem die
Flüchtlingsproblematik mehrfach in der Klasse 6c im Fach
Gesellschaftslehre thematisiert worden war und viele Schüler
auch schon Kleidung und Spielzeug gespendet hatten, nahm ein
Schüler Kontakt zu den Flüchtlingen auf und lud sie
in die Schule ein, um in der Klasse von ihrer Flucht zu berichten. Dank
der engagierten Freiwilligen der Wallrabensteiner
Flüchtlingshilfe konnte so Muhammad für ein
Gespräch in der Klasse gewonnen werden.
Am 09.10.2015 war es dann so weit. Gemeinsam mit Kiona Higgins, die
Schülern des 10. Jahrgangs der IGS ist und den
Flüchtlingen ehrenamtlich Deutsch-Unterricht erteilt, und
ihrer Mutter, kam Muhammad in die Schule.
Anhand einer Landkarte und mit Unterstützung von Fotos und
Videos, die er selbst mit seinem Handy aufgenommen hatte, berichtet er
ausführlich von den Stationen seiner Flucht. Im Wechsel
übersetzen Kiona Higgins und ihre Mutter sowie Frau Siegler,
die Englisch-Lehrerin der Klasse, und Herr Ostwald, der Klassenlehrer,
die englischsprachigen Ausführungen, die für die
Sechstklässler dann doch noch etwas zu schwierig waren.
Mehrere Monate war Muhammad unterwegs, um von seiner Heimatstadt Aleppo
aus über die sog. Balkan-Route schließlich bis nach
Wallrabenstein zu gelangen. Er berichtete von der gefährlichen
Überfahrt von der Türkei nach Griechenland, von
langen Fußmärschen, die zur Sicherheit zum Teil
nachts stattfanden, von Teilstrecken, die mit dem Rad, dem Zug oder per
Auto zurücklegen konnte, von Problemen mit Behörden,
von den Schwierigkeiten Grenzen zu überqueren und davon, wie
wichtig sein Smartphone für die Orientierung war.
Überrascht zeigten sich viele Schüler davon, wie
teuer seine Flucht und die seines 16jährigen Bruders war:
Zusammen rund 10000 Euro habe er zahlen müssen, das meiste
davon an Schlepper. Deshalb habe ein Teil seiner Familie, seine Eltern,
seine Schwester und weitere Verwandte, zurückbleiben
müssen. Er betonte, dass er sie sehr vermisse und sie
möglichst schnell nachholen wolle.
Im Anschluss an seinen Bericht stellte er sich noch den zahlreichen
Fragen der Schüler. Warum er sich Deutschland als Ziel
ausgesucht hatte, wollten die Schüler wissen. Er betonte, dass
Deutsche sehr hilfsbereit seien und dass Deutschland nicht nur ein
schönes Land sei, sondern auch, dass er hier sein Studium
fortsetzen könne. Ein Schüler fragte auch, ob er
später irgendwann nach Syrien zurückgehen
möchte, woraufhin Muhammad ausführte, dass er
natürlich seine Heimat vermisse und gerne irgendwann wieder
zurückkehren würde, wenn dort wieder Frieden
herrsche.
Auch wenn nach 90 Minuten noch Fragen offen bleiben, zeigten sich alle
Seiten begeistert von der Gesprächsrunde. Die Schüler
betonten im Anschluss, Muhammad sei sehr sympathisch gewesen, und
bewunderten sein Durchhaltevermögen und seinen festen Glauben
an eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung, so hatte er betont, habe ihn
immer getragen und auch die beschwerliche Flucht ertragen lassen. Seine
Fotos und Videos hatten genau das gezeigt: Man konnte den
Flüchtlingen die Strapazen der Flucht ansehen, aber auch
erkennen, wie die Hoffnung sie Schritt für Schritt voran
brachte.
Vor allem diese menschliche Seite erkannten die Schüler. Frau
Higgins freute sich deshalb abschließend besonders
darüber, dass dem oft so anonymen Flüchtling ein
Gesicht gegeben wurde.